Am 24.04.2020 entschied das Handelsgericht Wien über eine Klage im Zusammenhang mit einer Organhaftpflichtversicherung. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob der Versicherer zur Deckung bestimmter Verteidigungskosten und Haftpflichtansprüche verpflichtet war. Die Entscheidung gewährt wertvolle Einblicke in die rechtliche Einordnung von Vertragsklauseln und Obliegenheiten, insbesondere im Hinblick auf Risikoausschlüsse und die Anzeigepflichten der Versicherungsnehmer.

Inhalt der Klage

Die klagende Partei, ein Geschäftsführer einer GmbH, forderte eine Zahlung von insgesamt 398 962,54 Euro sowie die Feststellung der Deckung aus einer Organhaftpflichtversicherung. Der Streit entstand aus zwei Ermittlungsverfahren, die sich auf vermeintliche Pflichtverletzungen in der Geschäftsführung bezogen. Der Kläger machte geltend, dass der Versicherungsvertrag umfassenden Deckungsschutz für solche Fälle bieten sollte.

Vorbringen der Parteien

Die klagende Partei argumentierte, dass die Versicherung für die Verteidigungskosten in Strafverfahren Deckung gewähren müsse, da diese Verfahren unter die Klauseln des Versicherungsvertrages fielen. Zudem wurde betont, dass der Versicherer Kenntnis aller relevanten Umstände gehabt habe und die Ablehnung der Deckung treuwidrig sei. Die Kombination aus „Claims-made“-Deckung und Ausschluss der Rückwärtsdeckung sei unüblich und benachteilige den Versicherungsnehmer.

Auf der anderen Seite bestritt die beklagte Partei, die Versicherung die Deckungspflicht und verwies auf verschiedene Risikoausschlüsse im Vertrag, darunter Vorsatzausschlüsse und Verpflichtungen zur Anzeigepflicht. Sie machte geltend, dass der Kläger wesentliche gefahrenerhöhende Umstände nicht offengelegt habe.

Die Nebenintervenientin, die als Versicherungsagentin der Beklagten auftrat, argumentierte, dass sie keine eigenständige Verantwortung trage, da sie im Auftrag der Beklagten handelte. Sie bestritt jegliche Aufklärungspflichten gegenüber der klagenden Partei und verwies darauf, dass der Kläger als Versicherungsmakler selbst über die relevanten Versicherungsbedingungen informiert sein müsse. Daraus folge, dass auch keine erweiterten Aufklärungspflichten bestanden.

Weiterhin wurde festgestellt, dass der Kläger trotz der Kenntnis aus einem großen Anlegerprozess gegenüber der Nebenintervenientin falsche Angaben gemacht hatte, etwa durch das Verschweigen von Kundenbeschwerden und Vorwürfen des pflichtwidrigen Organhandelns. Diese Versäumnisse sowie der Vorsatz, Beweislagen zu manipulieren, wurden als gravierende Obliegenheitsverletzungen gewertet. Die Nebenintervenientin argumentierte, dass bei wahrheitsgemäßen Angaben keine D&O-Versicherung vermittelt worden wäre. Sie sah dies als entscheidenden Grund für die Ablehnung der Deckung durch die Beklagte.

Entscheidung des Gerichtes

Das Handelsgericht Wien wies die Klage ab. Es wurde festgestellt, dass die Klauseln zur Vorsatzausschlussregelung wirksam und eindeutig formuliert waren. Dabei wurde nach § 914 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) der erklärte Wille der Parteien zur Vertragsauslegung herangezogen, der in diesem Fall die Gültigkeit der Ausschlussklauseln untermauerte.

Zusätzlich stellte das Gericht fest, dass der Kläger vorvertraglich nicht ausreichend über gefahrenerhöhende Umstände informiert hatte. Diese Verletzung der Anzeigepflichten führte zur Leistungsfreiheit der Versicherung. Die Kombination aus „Claims-made“-Deckung und dem Ausschluss der Rückwärtsdeckung wurde als üblich und nicht überraschend eingestuft.

Hinsichtlich der Rolle der Nebenintervenientin kam das Gericht zu dem Schluss, dass diese als Agentin der Beklagten keine eigenständigen Aufklärungspflichten gegenüber dem Kläger hatte. Ihre Verantwortung beschränkte sich auf die Vermittlung des Vertrages, und unklare oder fehlerhafte Angaben des Klägers wurden ihr nicht zugerechnet.

Beweiswürdigung des Gerichts

Das Gericht hob hervor, dass es keine hinreichenden Beweise dafür gab, dass der Kläger die Nebenintervenientin oder die Beklagte über den Anlegerprozess informierte. Besonders die Glaubwürdigkeit der Aussagen des Klägers wurde in Frage gestellt, da diese widersprüchlich und teils unplausibel erschienen. Ein Beispiel dafür war die Diskrepanz zwischen seiner Behauptung, die Versicherungsnehmerin habe die Ausstellung der Deckungsbestätigung erst im Januar 2013 erhalten, und der tatsächlichen Ausstellung im Juli 2012. Darüber hinaus wurde betont, dass die Nebenintervenientin keine Anhaltspunkte hatte, die sie zu einer genaueren Prüfung hätten veranlassen können, da weder E-Mail-Korrespondenzen noch andere schriftliche Belege zur behaupteten Information über den Eurofinanz-Prozess vorlagen.

Das Gericht betrachtete dies als Beleg für die Unplausibilität der Darstellung des Klägers. Insgesamt bewertete es die Aussage des Geschäftsführers der Nebenintervenientin als glaubwürdiger, insbesondere in Bezug auf die Negativfeststellung zur Versicherbarkeit bei einer rechtzeitigen Meldung des Anlegerverfahrens. Diese Aussage wurde durch die fehlende Dokumentation des Klägers untermauert, die es nahelegte, dass keine ausreichenden Informationen an die Versicherer weitergegeben worden waren. Diese Feststellung trug wesentlich zur Leistungsfreiheit der Beklagten bei.

Zusammenfassung und Praxistipp

Dieses Urteil verdeutlicht die Bedeutung klar formulierter Vertragsklauseln und die Einhaltung von Anzeigepflichten in Versicherungsverträgen. Im Zweifelsfall ist es ratsam, rechtliche Beratung einzuholen, um mögliche Deckungslücken zu vermeiden. Ein verständliches Vertragsmanagement und transparente Kommunikation mit dem Versicherer sind essenziell, um den Versicherungsschutz zu sichern.

Tipps für Versichungsnehmer

Für Versicherungsnehmer, insbesondere in leitenden Positionen, empfiehlt es sich, vor Vertragsabschluss sämtliche gefahrenerhöhende Umstände offen zu legen. Die Vertragsbedingungen sollten im Hinblick auf Risikoausschlüsse und Obliegenheiten sorgfältig geprüft werden.

Tipps für Versicherungsvermittler

Für Versicherungsvermittler ergeben sich ebenfalls klare Lehren aus diesem Urteil. Es ist dringend davon abzuraten, Fragebögen im Namen des Versicherungsnehmers auszufüllen. Der Versicherungsnehmer sollte diese stets selbst und vollständig ausfüllen.

Vermittler sollten es zudem vermeiden, vermeintliche Tipps oder Formulierungshilfen anzubieten, die missverständlich sein könnten. Es ist ratsam, die vom Versicherungsnehmer ausgefüllten Unterlagen unverändert und eins zu eins an den Versicherer weiterzuleiten. Falls der Versicherer Rückfragen hat, sollten diese inhaltstreu und ohne eigenmächtige Ergänzungen an den Versicherungsnehmer weitergeleitet werden.

Ebenso sollten die Antworten des Versicherungsnehmers genau in dieser Form dem Versicherer übermittelt werden. Jegliche eigenständige Ergänzung oder Änderung der Unterlagen durch den Vermittler birgt erhebliche Risiken und sollte unterlassen werden.

Das Urteil wurde im Rechtsinformationssystem (RIS) des Bundes nicht veröffentlicht.

Wiener Neustadt, 07.01.2024

Bildnachweis: envato

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